Performance  "Aktsaal"   Carmen Oberst Kunstraum  Hamburg   2001

auszug abzug entzug - ein akt

 

Eine Frau zieht sich aus, ein Scanner zieht sie ab. Anziehende Bilder, die sich uns aber sofort wieder entziehen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Arbeit von Horst Papenhausen.
Wir wissen nicht, wo wir im Akt stehen, wir spüren nur die Grenzen, die wir nicht überschreiten können. Unsere Lust streift nur die des Voyeurs, sie ist umfassender, archaischer. Mit jedem Umweg wächst die Begierde auf die sich entziehenden Bilder, mit jedem Hindernis wird die Neugier zu sehen größer.
Die Gier auf Neues wird nicht nur um ihrer selbst willen geschärft, sondern mündet in einer Werkstatt mit Aktmodell. Hier lässt Papenhausen traditionelle Darstellungstechniken mit modernen Technologien aufeinandertreffen. Der Scanner und die Videokamera arbeiten gleichberechtigt neben Aktmodell und klassischen Bildhauern in einem offenen Prozess, gehen Hand in Hand, alt und neu werden aus den Angeln gehoben.
Der Zeit-Begriff in Papenhausens Aktsaal steht still.
Der Raum aber dehnt sich aus, weil das Modell nicht mehr still bleibt, sondern Arien singt und weil der Scanner zwar still sitzt, sich aber nicht auf eine Wahrnehmung begrenzt. Nur dem Zuschauer bleibt die Frage, ob er sich in das Fenster oder aus dem Fenster lehnt, um auch an die Bilder zu gelangen.
Schon die Scannerbilder für sich genommen sind erstaunlich. Dem hochmodernen Medium entspringen völlig unerwartete Gebilde, Urformen mit dem Hauch von längst vergangenen Epochen. Durch die künstliche Beleuchtung während des Scanvorgangs wirken die Formen entrückt wie Wesen in den Weckgläsern der Kuriositätenkabinette oder wie zusammengerollte Embryos im Mutterleib.
Eine Installation im Ausstellungsraum stellt uns abermals Hindernisse in den Weg, entzieht uns die entrückten Bilder noch weiter, lässt uns nach versteckten Fetzen, nach Auszügen von ihnen suchen. Erst im Dunkeln werden wir wieder an unsere Lust erinnert, die uns im Alltag sonst nur unbemerkt ergreift. Spuren der Leidenschaft streifen uns wie die beschlagene Schaufensterscheibe, die die Produkte dahinter doppelt interessant erscheinen lässt, wie die Zeitung unseres Gegenübers in der U-Bahn, deren Rückseite uns besonders reizt oder wie die Frau, die wir durch ihre abweisende Haltung erst recht begehren.
In dem Moment spüren wir die Beschränkungen, die Papenhausens Arbeiten sich selbst und uns auferlegen. Und wir werden selbst Akteure in seinem Akt von Entzug.
(Caroline Mutz)